**Warum Fleisch und Milch das Klima belasten: Lösungsansätze von Umweltschützern**

Düsseldorf – Die Schlacht- und Milchbetriebe in Deutschland verursachen mehr schädliche Treibhausgase als der Autoverkehr. Das könnte sich ändern – wenn sie den Vorschlägen von Umweltschützern folgen und ihre Produktion umstellen würden.

Viele Krisen dieser Welt sind so einnehmend, dass eine der größten Krisen überhaupt manchmal in den Hintergrund rückt. Es geht um keine geringere als die Klimakrise. Sogar Deutschlands bekannteste Aktivistin Luisa Neubauer wurde im vergangenen Jahr immer wieder gefragt, warum sich nicht mehr so viele Menschen für sie zu interessieren scheinen wie noch vor einigen Jahren – zu Hochzeiten der freitäglichen Demonstrationen von Fridays for Future. Damals, als viele Menschen sich mehr darüber ärgerten, dass Schülerinnen und Schüler für die Proteste den Unterricht ausfallen ließen, als anzuerkennen, dass es sich um ihre Zukunft handelte, für die sie da einstanden.

Dabei ist völlig klar: Die Klimakrise ist akuter denn je. Das zeigt auch eine neue Studie der Umweltorganisation Germanwatch. Sie hat untersucht, welchen Einfluss die Milch- und Fleischindustrie auf das Klima hat. Dafür schauten sich die Studienautoren die 20 umsatzstärksten deutschen Schlacht- und Milchkonzerne und ihre Treibhausgas-Emissionen aus dem Jahr 2022 an, darunter das bekannte Fleischverarbeitungsunternehmen Tönnies aus Rheda-Wiedenbrück, die PHW-Gruppe aus dem niedersächsischen Visbeck-Rechterfeld, die als größtes Unternehmen in der Geflügelwirtschaft gilt, und den zweitgrößten Schlachtkonzern Deutschlands, Westfleisch aus Münster. Bei den Milchbetrieben waren es unter anderem das Deutsche Milchkontor aus Zeven in Niedersachsen, die Theo Müller Unternehmensgruppe mit Sitz in Luxemburg und der Nahrungsmittelhersteller Hochland SE mit Sitz in Heimenkirch im Allgäu.

**Ergebnisse der Studie**

Die Ergebnisse schockieren: Offenbar sind Fleisch und Milch noch größere Klimatreiber als angenommen. Deutschlands Schlacht- und Milchbetriebe haben 2022 fast zwei Drittel (60 Prozent) so hohe Emissionen verursacht wie der gesamte deutsche Autoverkehr. Und berechnet man die Opportunitätskosten mit ein, also zum Beispiel Flächen, die für die Futtermittelproduktion verwendet werden und so nicht als kohlenstoffbindende Waldflächen fungieren können, ist der Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen sogar anderthalb Mal so hoch wie bei den Pkw. Germanwatch nennt diese Opportunitätskosten auch „verschenkte Klimaschutzpotenziale“. „Wir erwarten insbesondere von den größten Vertretern der Branche klare Pläne zur deutlichen Reduktion ihrer Emissionen – auch in ihren Lieferketten“, sagte Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch. Zudem sei eine umfassende und valide Klimaberichterstattung notwendig.

**Handlungsempfehlungen**

Die lasse derzeit noch zu wünschen übrig. Angaben der Konzerne zu den Emissionen ihrer Lieferketten existierten bis auf wenige vage Ausnahmen nicht – zumindest nicht öffentlich, heißt es von Germanwatch. Man habe die Konzerne angeschrieben, sie zu Emissionen und ihren Klimaschutzmaßnahmen befragt, aber keine Antworten erhalten.

Wie hat Germanwatch dann überhaupt die Daten berechnet? Als Grundlage diente ein Ranking der umsatzstärksten Unternehmen aus der Milch- und Fleischindustrie im Jahr 2022. Für sie ermittelte die Umweltorganisation die Produktionsmenge, die pro Jahr in Deutschland verarbeitet wird, in Schlachtgewicht beziehungsweise in Menge der verarbeiteten Rohmilch. Auf dieser Basis berechneten die Studienautoren wiederum die entsprechenden Treibhausgas-Emissionen in CO2-Äquivalenten.

**Mögliche Maßnahmen**

Und was könnten die Unternehmen tun, um Co2 einzusparen? Bemerkenswert ist, dass die Fleisch- und Milchproduktion hierzulande sogar noch deutlich über dem Niveau zu Beginn der 1990er Jahre liegt. Und das, obwohl schon damals die ersten Klimaschutzempfehlungen und Maßnahmen getroffen wurden, zum Beispiel in Form des Kyoto-Protokolls der Vereinten Nationen oder des Berichts des Weltklimarats. 2023 wurden 7,2 Millionen Tonnen Fleisch in Deutschland hergestellt und 32,6 Millionen Tonnen Kuhmilch erzeugt. Manche Unternehmen vertreten die Ansicht, dass sie die Mengen nicht reduzieren müssten, sondern einfach „klimaeffizienter“ produzieren könnten. Vom Deutschen Bauernverband heißt es zum Beispiel, dass die Treibhausgase aus der Landwirtschaft aus den „natürlichen Prozessen der Erzeugung von Nahrungsmitteln“ entstünden. Deshalb hält er es für sinnvoll, Kühe, Schweine und Hühner mit klimafreundlicherer Nahrung zu versorgen. Germanwatch widerspricht dieser Haltung: Wenn Menschen sich stärker pflanzenbasiert ernährten, biete das einen deutlich größeren Hebel, um die Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren.

Die Auswirkungen wären enorm. Würden die umsatzstärksten Fleischkonzerne den Vorschlag beherzigen, könnten 21,13 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden – das entspricht 23,6 Prozent der Pkw-Emissionen. Bildlich gesprochen wäre das, als würde man jedes vierte Auto in Deutschland stilllegen. Bei den größten Milchkonzernen beträgt das Gesamteinsparpotenzial 16,46 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent, also 18,4 Prozent der Auto-Emissionen. Im Klartext: Jeder fünfte Pkw würde nicht mehr fahren. Und zögen alle 20 Konzerne mit wäre es sogar jeder zweite. Ein großer Schritt – mit großer Wirkung.