Die Auswirkungen der Migrationsgeschichte auf den Wahlkampf
In Berlin-Kreuzberg an einem Dienstagnachmittag Ende Januar werden die Straßen lebendig, als die Vorstandssprecherin des Türkischen Bunds in Berlin-Brandenburg, Ayşe Demir, mit ihren Kollegen unterwegs ist, um Türkeistämmige zur Wahl zu ermutigen. Doch die Reaktionen sind gemischt, wie ein türkeistämmiger Familienvater Mitte dreißig vor einem Bäcker zeigt. Zwischen einem Hauch von Desinteresse und einer gewissen Sympathie für die AfD scheint er hin- und hergerissen zu sein.
Die bevorstehende Bundestagswahl am 23. Februar wirft ihre Schatten voraus, und rund sieben Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte haben die Möglichkeit, ihre Stimmen abzugeben. Dies entspricht 12 Prozent aller Wahlberechtigten. Insbesondere die etwa eine Million wahlberechtigten Türkeistämmigen stehen im Fokus. Traditionell neigten sie zur SPD, doch die politische Landschaft hat sich in den letzten Jahren drastisch verändert, mit der AfD auf dem Vormarsch und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) als potenzielle Überraschung.
Experten wie der Migrationsforscher Özgür Özvatan warnen vor dem Vertrauensverlust der demokratischen Parteien bei Menschen mit Migrationsgeschichte. Die mangelnde professionelle Ansprache und die fehlende Repräsentation innerhalb der Parteien tragen dazu bei, dass viele sich nicht ausreichend vertreten fühlen. Die geringe Wahlbeteiligung unter dieser Gruppe spiegelt die Diskrepanz wider.
Die Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) zeigt, dass fast ein Fünftel der Menschen mit Wurzeln in der Türkei, Nahost oder Nordafrika die AfD in Betracht zieht. Dies verdeutlicht die Bedeutung einer gezielten Ansprache und politischen Vertretung für diese Bevölkerungsgruppe. Die politische Debatte um Migration hat das Potenzial, Menschen mit Migrationshintergrund weiter zu polarisieren und von den demokratischen Parteien zu entfremden.
Im Wahlkampf dominieren Themen wie soziale Gerechtigkeit, Klimawandel und Migration. Politiker wie Ferat Koçak von den Linken, Hakan Demir von der SPD und Sevim Dağdelen vom BSW ringen um die Gunst der Wähler mit unterschiedlichen Schwerpunkten und politischen Ansätzen. Doch es bleibt die Frage, ob die Parteien wirklich die Anliegen und Ängste der Menschen mit Migrationsgeschichte angemessen adressieren.
Die Herausforderung liegt darin, eine offene und inklusive politische Landschaft zu schaffen, in der sich Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Perspektiven gleichermaßen repräsentiert fühlen. Die Rolle der Medien und der politischen Kommunikation in diesem Prozess kann nicht unterschätzt werden. Es ist an der Zeit, dass die Parteien ihre Ansprache anpassen und eine breitere Vielfalt von Menschen einbeziehen, um die Demokratie zu stärken und eine nachhaltige politische Teilhabe für alle Bürger zu gewährleisten.
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