Alice Weidel, die lesbisch ist, leitet die queerfeindliche AfD. Trotz dieser scheinbaren Widersprüche erfreut sich die Volkswirtin großer Beliebtheit bei der Parteibasis. Doch wie lässt sich all das unter einen Hut bringen?
Ein dramatischer Abgang und eine öffentliche Konfrontation auf dem Parteitag in Riesa im Januar gaben einen Einblick in die kognitiven Dissonanzen, denen Alice Weidel gegenübersteht. Als frisch gekürte Kanzlerkandidatin verließ sie abrupt die Bühne, nachdem die Thüringer Landtagsabgeordnete Wiebke Muhsal in abfälligem Ton über Familien gesprochen hatte. Diese Episode verdeutlichte die Spannungen innerhalb der Partei, die letztendlich zu einer einstimmigen Änderung des Wahlprogramms führte, um Familien als bestehend aus “Vater, Mutter und Kindern” zu definieren.
Die öffentliche Identitätssuche von Alice Weidel, die seit 2009 in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung mit der Schweizer Filmemacherin Sarah Bossard lebt, wirft Fragen auf. Trotz ihrer offenen Partnerschaft und ihrer Rolle als Mutter zweier Söhne steht Weidel im Rampenlicht einer extrem rechten Partei, die rassistische und queerfeindliche Gewalt fördert. Wie gelingt es ihr, diese scheinbar widersprüchlichen Rollen miteinander zu vereinbaren?
Expert*innen wie Patrick Wielowiejski von der Humboldt-Universität Berlin haben sich mit Homosexuellen in der AfD auseinandergesetzt und festgestellt, dass persönliche Motivationen und eine rechte Sozialisation oft ausschlaggebend für ein Engagement in der Partei sind. Homosexuelle in der AfD streben oft nach Anerkennung in der Mehrheitsgesellschaft und suchen Zugang zu bürgerlichen Institutionen, wobei die Inszenierung von Heteronormativität eine wichtige Rolle spielt.
Die Biografie von Alice Weidel deutet darauf hin, dass sie bereits früh politisiert wurde. Aufgewachsen in einem hochpolitischen Elternhaus, äußerte sie bereits in jungen Jahren rassistische Ansichten und zeigte eine Neigung zu geschichtsrevisionistischen Ideen. Ihre radikalen politischen Ansichten fanden auch nach ihrem Eintritt in die AfD Bestätigung, was letztendlich zu ihrem Aufstieg innerhalb der Partei führte.
Trotz ihrer kontroversen Ansichten und ihrer Position als Aushängeschild der AfD bleibt die Frage nach der Nachhaltigkeit der Integration von Homosexuellen in der Partei bestehen. Expert*innen wie Wielowiejski weisen darauf hin, dass Homosexuelle in der AfD oft als nützliche Idioten betrachtet werden, um das Image der Partei zu beschönigen. Die Zukunft der LGBTQ+-Community innerhalb der AfD bleibt daher ungewiss.
In einer Welt, die von politischer Polarisierung und gesellschaftlichen Brüchen geprägt ist, wirft die Geschichte von Alice Weidel ein Licht auf die komplexen Identitätsfragen und Herausforderungen, denen Menschen gegenüberstehen, die sich zwischen verschiedenen Welten bewegen. Trotz aller Widersprüche und Kontroversen bleibt die Frage bestehen: Wie passt das alles zusammen?