Als frischgebackene Journalistin habe ich mich in die Geschichte von Anna Hunger und der Kontext Wochenzeitung vertieft. Es war Anfang 2018, als Anna Hunger einen USB-Stick voller rechtsextremer Chats eines AfD-Mitarbeiters zugespielt wurde. Was sie dort fand, war echt eklig. Bürgerkriegsfantasien, Menschenfeindlichkeit, rassistisches Zeug – das volle Programm. Die vier Jahre umspannende Korrespondenz zeigte ein deutlich rechtsextremes Weltbild. Die Kontext Wochenzeitung und ihr Team haben dann Investigativ-Journalist:innen-Moves gemacht und die Chatprotokolle gründlich überprüft. Nach wochenlanger Arbeit war klar, dass die Chats echt waren und am 9. Mai 2018 wurde der Bericht „‚Sieg Heil‘ mit Smiley“ veröffentlicht.
Die Diskussion darüber, ob die AfD rechtsextrem ist, war damals sehr lebhaft. Der Verfassungsschutz hat es mittlerweile bestätigt, aber damals war es noch umstritten. Die Kontext-Redaktion hatte ein großes öffentliches Interesse daran, die rechtsextreme Gesinnung des Mannes offenzulegen. Aber dann kam der jahrelange Rechtsstreit, der die Grundlagen des investigativen Journalismus infrage stellt. Der AfD-Mitarbeiter hat Kontext und die Redakteur:innen persönlich verklagt, um die Namensnennung und die Verortung im Rechtsextremismus zu unterlassen.
Der Streitwert von 60.000 Euro war schon von Anfang an überraschend hoch für ein Presserechtsverfahren. Eine Niederlage vor Gericht hätte das Ende für die kleine Kontext-Redaktion bedeutet. Nur durch eine Crowdfunding-Aktion konnten sie sich gegen das finanzielle Risiko wappnen. Der wilde Ritt durch die Gerichtssäle begann am Landgericht Mannheim, wo Kontext verlor. In der zweiten Instanz am Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe wurde jedoch zugunsten von Kontext entschieden. Aber der Kläger und seine Anwält:innen ließen nicht locker und begannen ein Hauptsacheverfahren, das schließlich vor dem Landgericht Frankfurt am Main landete.
Das Verfahren in Frankfurt wurde breit aufgerollt und das Gericht entschied erneut für Kontext. Doch dann kam das ungewöhnliche Urteil im März 2025. Das OLG Frankfurt am Main entschied, dass die Chats nicht eindeutig dem AfD-Mitarbeiter zugeordnet werden konnten. Kontext konnte nicht beweisen, dass die Chatprotokolle nicht manipuliert wurden. Das Urteil erregte Aufsehen in vielen Redaktionen und warf wichtige Fragen auf, insbesondere zum Recht auf Quellenschutz und zur Authentizität digitaler Beweise.
Die Kontext-Redaktion und ihre Anwält:innen wollen weiter gegen das Urteil vorgehen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof (BGH) wurde eingereicht, um das Urteil anzufechten. Es steht viel auf dem Spiel, nicht nur für Kontext, sondern für den investigativen Journalismus insgesamt. Wenn das Urteil bestehen bleibt, könnte es die Art und Weise, wie Journalist:innen arbeiten, erheblich beeinflussen. Es bleibt spannend, wie die Geschichte von Kontext und dem AfD-Mitarbeiter weitergehen wird.
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