Steffi Lemke über atomares Erbe: „Wir brauchen Sanktionen gegen russisches Uran“

Die Brennelemente-Fabrik in Lingen sorgt weiterhin für Diskussionen, da sie Brennstäbe mit russischem Uran produziert, obwohl Deutschland den Atomausstieg bereits vollzogen hat. Umweltministerin Steffi Lemke äußert Bedenken über die Erweiterung des Werks und zeigt Verständnis für Kritiker, die den deutschen Atomausstieg durch die Brennstoffproduktion gefährdet sehen.

Steffi Lemke, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, betont im Interview mit der taz die brisante Situation. Sie erklärt, dass die Fabrik in Lingen einem französischen Staatsunternehmen gehört und daher nicht ausschließlich deutsche Belange betrifft. Obwohl die Anlage vom Atomausstieg ausgenommen wurde, gibt es bisher keine Mehrheit im Bundestag für ihre Stilllegung. Die geplante Erweiterung stößt sowohl beim niedersächsischen Umweltministerium als auch beim Bundesumweltministerium auf Kritik.

Die Menge an importiertem russischem Uran für die Brennstoffproduktion in Lingen ist im letzten Jahr um 66 Prozent gestiegen. Angesichts der Sanktionen gegen Russland bezeichnet Christian Meyer, niedersächsischer Umweltminister, dies als skandalös. Steffi Lemke teilt diese Ansicht und plädiert für Sanktionen gegen den Import von russischem Uran, auch auf europäischer Ebene. Sie betont die Absurdität, dass Europa durch den Uranimport die Finanzierung von Putins Angriffskrieg unterstützt.

Die Umwelt- und Friedensbewegung wirft Europa Zynismus und Doppelmoral vor, da es bei Uranimporten keine Einigung auf Sanktionen gab, im Gegensatz zum russischen Erdgas. Lemke erklärt, dass die Uneinigkeit auf unterschiedlichen Positionen zur Atomenergie und energiewirtschaftlichen Interessen beruht. Sie wünscht sich eine konsequentere Haltung der EU gegenüber der Atomkraft.

Die Betreiber der Fabrik in Lingen, eine Tochter des französischen Atomkonzerns Framatome, haben eine Kooperation mit Rosatom, einem russischen Konzern, vereinbart. Rosatom strebt einen Einstieg in Lingen an, was Sicherheitsfragen aufwirft. Das Bundesumweltministerium prüft die Situation, da die Sicherheit Deutschlands gefährdet sein könnte.

Ein Gutachten prognostiziert, dass ein Endlager für deutschen Atommüll frühestens 2074 gefunden wird. Was mit den Zwischenlager-Standorten bis dahin passiert, bleibt unklar. Lemke betont die Notwendigkeit, den bestmöglichen Standort für ein Endlager bis Mitte des Jahrhunderts zu finden, um die Belastung durch Atomenergie zu verringern.

Die Atomkonzerne haben 24 Milliarden in einen Fonds eingezahlt, um die Ewigkeitskosten abzudecken. Lemke ist optimistisch, dass die Mittel ausreichen, trotz unsicherer Kostenprognosen. Sie fordert eine beschleunigte Endlagersuche, um die atomare Last sicher zu entsorgen.

Die Diskussion um die Brennelemente-Fabrik in Lingen zeigt die Komplexität und die langfristigen Auswirkungen der Atomenergie. Steffi Lemke und andere Akteure setzen sich für eine konsequente Umsetzung des Atomausstiegs und Maßnahmen gegen den Import von russischem Uran ein. Die Herausforderungen im Umgang mit atomarem Erbe erfordern eine umsichtige und langfristige Strategie, um die Sicherheit und Umwelt zu schützen.