In Bayern könnte es im Jahr 2029 zu einem echten Pflege-Notstand kommen. Da gehen nämlich mehr Pflegekräfte in Rente als neue ausgebildet werden können. „Der Mangel an Fachkräften, den wir jetzt schon spüren, wird dann echt krass werden“, meint Kristian Greite, der Boss beim städtischen Eigenbetrieb Altenhilfe in Augsburg. Greite greift das Personalproblem schon jetzt aktiv an, mit vollem Einsatz: In den nächsten drei Jahren sollen 60 Leute aus Indien nach Augsburg geholt werden. Auch andere Gesundheitsunternehmen in Augsburg setzen verstärkt auf Personal aus dem Ausland.

Anfang April ist Kristian Greite mit zwei Kollegen in den indischen Staat Kerala geflogen. Dort haben sie 40 Bewerbungsgespräche geführt – und das mit Erfolg: In diesem Jahr werden zehn qualifizierte Fachkräfte aus Kerala nach Augsburg kommen, um in der Altenhilfe zu arbeiten. Im August folgen dann weitere zehn Inder. Sie werden im September eine dreijährige Ausbildung beginnen. Auch in Augsburg laufen Bewerbungsgespräche: 14 weitere Leute werden ihre Ausbildung in der Altenhilfe beginnen, zehn von ihnen für ein Jahr. „Wir versuchen echt hartnäckig, hier vor Ort Leute zu finden. Es gibt einfach nicht genug Personal“, so Greite.

Milos Brzakovic, zuständig für internationales Recruiting bei der Altenhilfe, ist zusammen mit dem 20-jährigen Kuriam Akhil Sabu bei einer Präsentation seiner Karriereziele in Deutschland zu sehen.

Um dem Personalmangel in der Pflege entgegenzuwirken, werden 2026 und 2027 jeweils weitere 20 Leute aus Kerala kommen, um entweder als Fachkräfte oder Auszubildende in der Altenhilfe zu arbeiten. Greite hatte bereits vor zwei Jahren bei einem früheren Arbeitgeber Erfahrungen mit der Personalbeschaffung in Kerala gesammelt. Die Rekrutierung läuft über das „Triple-Win-Programm“, das 2013 gemeinsam von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Bundesagentur für Arbeit ins Leben gerufen wurde. Die Partnerorganisation „Norka Roots“ wählt vor Ort geeignete Pflegekräfte aus, organisiert Deutschkurse und bereitet die Inder auf die Arbeit in Deutschland vor.

Pflegekräfte werden nur aus Ländern mit einem Überschuss an qualifiziertem Personal rekrutiert. „Die GIZ hat allein 1800 Krankenschwestern aus Kerala im Programm“, sagt Greite. In Kerala hat die Pflege einen viel höheren Stellenwert als in Deutschland. Die Altenhilfe legt Wert darauf, dass die Mitarbeiter langfristig in Augsburg bleiben. Daher werden die indischen Arbeitskräfte künftig von einem speziellen Team betreut und begleitet.

Die Auszubildenden, die bereits sehr gute Deutschkenntnisse haben, werden im Kolpingwerk untergebracht. Die Fachkräfte erhalten ebenfalls Wohnraum, bis sie ihre Deutschkurse abgeschlossen haben und ihre Qualifikation anerkannt wurde. „Das dauert normalerweise anderthalb Jahre. Dann können sie ihre Familien nachholen und sich eine eigene Wohnung suchen“, erklärt Greite.

Auch andere Einrichtungen in Augsburg rekrutieren Personal aus dem Ausland. Die Hessing-Kliniken haben zum Beispiel im letzten Jahr einen Kooperationsvertrag mit einer Krankenpflegeschule in Namibia abgeschlossen. Matthias Gruber, Leiter der Hessing-Kliniken, berichtet von Kontakten nach Tunesien und China. „Derzeit arbeiten etwa 20 aus dem Ausland rekrutierte Kollegen bei uns, hauptsächlich im Pflegebereich. In den nächsten Monaten werden weitere ausländische Kollegen erwartet.“

Die Uniklinik in Augsburg ist wohl die internationalste Einrichtung mit Pflegekräften aus 95 verschiedenen Ländern, so die Pflegedirektorin Susanne Arnold. Die Anzahl der im Ausland rekrutierten Pflegekräfte hat in den letzten Jahren stetig zugenommen, derzeit sind es etwa 60 pro Jahr. Indien spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle, ausländische Pflegekräfte kommen vor allem aus den Balkanländern und dem Iran.

Arnold möchte nicht von einem „Konkurrenzkampf“ um ausländisches Pflegepersonal sprechen, eher von einem „natürlichen Wettbewerb“. Die Personalakquise wird jedoch zunehmend schwieriger, da auch in einigen Ländern ein Fachkräftemangel herrscht. Die Rekrutierung im Ausland ist mit vielen Hürden verbunden, wie langwierigen Behördenverfahren, der Anerkennung von Berufsabschlüssen und der Sprachbarriere. Die Integration muss von Anfang an aktiv begleitet werden.