Friedrich Merz: Regierungskonzept für Deutschland in Großer Koalition
In Berlin herrscht eine eigenartige Stimmung nach den Wahlen. Die Union und die SPD, die beiden führenden Parteien des Landes, werden voraussichtlich die nächste Regierungskoalition bilden. Diese Formation nennt sich Große Koalition, eine von Angela Merkel einst zur Staatsräson erhobene Allianz. Doch an diesem sonnigen Frühlingstag in der Hauptstadt fühlt es sich zunächst nicht so an, als würde sich daraus eine neue Bastion des Regierens erheben. Die Meinungsforscher des Forsa-Instituts sprechen bereits vom endgültigen Abschied von der „Bonner Republik“. Denn die Ansagen kommen zunächst von anderer Seite.
AfD-Chefin Alice Weidel, die große Gewinnerin dieser Wahl, erhebt bereits kurz nach der Erkenntnis, dass es möglicherweise zu einer Schwarz-Rot-Koalition kommen könnte, Anspruch darauf, Teil der neuen Regierung zu sein. „Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Wir haben eine starke Mehrheit für AfD und CDU“, betont die 46-Jährige vor der Presse. Sie weist auch darauf hin, dass CDU-Chef Friedrich Merz ein anderes Bündnis anstrebt. Dennoch bleibt sie selbstbewusst.
### Die AfD und der Gentleman aus Washington setzen der Bundesrepublik zu
In gewisser Weise hat Weidel recht damit, dass die neue Große Koalition eigentlich eine Allianz zwischen Schwarz und Blau wäre. Die AfD sieht sich mittlerweile stark genug, um die Union in den nächsten vier Jahren zu überholen. Die Partei hat mächtige Unterstützer, wie Elon Musk, der die deutschen Rechtspopulisten erneut am Wahlabend unterstützt hat. Musk, einer der engsten Berater von US-Präsident Donald Trump, gratulierte auf seine eigene Art Friedrich Merz und sprach von einem „großartigen Tag für Deutschland und die Vereinigten Staaten unter der Führung eines Gentlemans namens Donald J. Trump“.
Die AfD und der Gentleman aus Washington, der die politische Ordnung herausfordert, setzen der gewohnten Struktur der Bundesrepublik zu.
Unter diesen neuen Umständen wird Friedrich Merz nun versuchen, mit einer neuen kleinen GroKo zunächst die versprochene Ordnung im Land wiederherzustellen. Bei einer Pressekonferenz am Tag nach der Wahl zeigt sich der CDU-Vorsitzende selbstbewusst und betont sein brennendes Verlangen nach dem Kanzleramt. Die Union hat bei dieser Wahl elf Mandate mehr errungen als in der letzten Wahlperiode, was zusammen mit den 120 Mandaten der Sozialdemokraten die Bildung einer schwarz-roten Koalition ermöglicht. Genau das ist das Ziel, das sie anstreben. Die Gespräche sind bereits vorbereitet, und Merz setzt Mitte April als Zielmarke für den Abschluss der Koalitionsverhandlungen fest.
### In Sachen Migrationspolitik: Herausforderungen und mögliche Kompromisse
Die Migrationspolitik ist ein zentrales Thema für die Gespräche mit der SPD. Merz räumt ein, dass die Ausgangslage schwierig ist, bleibt aber zuversichtlich, dass Ergebnisse erzielt werden können. Während die Außen- und Sicherheitspolitik als Reaktion auf Äußerungen aus Washington schnell angegangen werden müssen, sind bei der Sicherung von Industriearbeitsplätzen und der Wirtschaft keine Meinungsverschiedenheiten zu erwarten. Anders sieht es jedoch beim Thema Migrationsregeln aus. Ob die SPD bereit sein wird, schärfere Regelungen zu unterstützen, bleibt fraglich. Eine Zurückweisung direkt an der Grenze, wie von Merz vorgeschlagen, könnte schwierig werden.
Merz betont, dass es nicht um Grenzschließungen geht, sondern um eine bessere Sicherung der Landesgrenzen. Er deutet einen möglichen Kompromiss an, der „Zurückweisungen auf Zeit“ vorsieht, bis die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems im Sommer des nächsten Jahres in Kraft tritt. Diese Reform beinhaltet schärfere Regelungen für Asylverfahren an den Außengrenzen.
Merz gibt an, dass es eine „letzte Warnung an die demokratischen Parteien der Mitte“ sei, angesichts des Ergebnisses von gut 20 Prozent für die AfD. Die nächste Regierungsphase könnte eine der letzten Chancen sein, um wieder Vertrauen zu schaffen.
### SPD-Chef Lars Klingbeil: Der starke Mann einer geschwächten Partei
Lars Klingbeil, der Chef der Sozialdemokraten, steht vor der Herausforderung, die SPD in einer schwierigen Situation zu führen. Obwohl die Partei das schlechteste Ergebnis seit mehr als 130 Jahren erzielt hat, wird Klingbeil plötzlich zum starken Mann einer geschwächten Partei. Er plant, noch in dieser Woche zusätzlich zum Fraktionsvorsitzenden im Bundestag gewählt zu werden. Die SPD muss nun schnell handlungsfähig und entscheidungsfähig sein, um den turbulenten Zeiten zu begegnen.
Die Mitglieder der SPD werden letztendlich über das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen in einer Abstimmung entscheiden. Dies kann die Regierungsbildung verzögern und zu einer potenziellen Hürde werden. In der SPD-Zentrale erinnert man sich an das Jahr 2017, als die Partei nach gescheiterten Koalitionsverhandlungen mit Grünen und FDP die entscheidende Kraft war. Die Genossen wissen, dass das Land sie braucht und dass historische Momente ihrer Präsenz bedürfen.
Friedrich Merz deutet an, dass eine Lockerung der Schuldenbremse des Grundgesetzes gemeinsam mit SPD und Grünen eine Möglichkeit sein könnte, um das Regieren zu erleichtern. Dies wäre ein bedeutender Schritt für eine potenzielle schwarz-rote Koalition.
Union und SPD haben die Chance, gemeinsam Milliarden in die Bundeswehr, die Infrastruktur und Bildung zu investieren, ohne bei den Bedürftigen sparen zu müssen. Dieser seltene Vorgang könnte ein letzter Sieg für Olaf Scholz und der erste für die SPD in einer neuen Koalition sein.