Rentensystem benachteiligt Frauen: Politologin warnt vor Altersarmut

Frauen erhalten im Durchschnitt weniger Rente als Männer, und diese Ungerechtigkeit wird oft übersehen. Jutta Schmitz-Kießler, eine renommierte Politologin von der Hochschule Bielefeld, bringt die geschönten Zahlen und die dringend reformbedürftige Witwenrente ins Rampenlicht.

Die aktuellen Zahlen zeigen, dass die Durchschnittsrente für Männer bei 1.809 Euro pro Monat liegt, während Frauen lediglich 1.394 Euro erhalten. Doch diese Zahlen erzählen nicht die ganze Geschichte, wie Schmitz-Kießler betont. Nur diejenigen mit 35 Versicherungsjahren werden berücksichtigt, was auf viele Frauen nicht zutrifft und den Durchschnittswert nach unten drückt. Zudem werden alle Rentnerinnen und Rentner, unabhängig von ihrer Beitragsdauer, in die Berechnung einbezogen, was das Bild weiter verzerrt.

### Neue Rentnerinnen erhalten weniger als langjährige Rentnerinnen

Besonders alarmierend ist die Tatsache, dass neu in Rente gehende Frauen im Westen im Durchschnitt nur 888 Euro und im Osten 1.200 Euro erhalten. Diese Zahlen reflektieren nicht die unterschiedliche Erwerbsbeteiligung von Frauen in Ost und West. Trotz des Anstiegs der Erwerbstätigkeit von Frauen arbeiten immer noch viele in Teilzeit oder Minijobs, was ihre Rentenansprüche massiv beeinträchtigt.

Im aktuellen Rentensystem gibt es zwar Anrechnungen für Kindererziehungszeiten, Witwenrenten und Versorgungsausgleiche bei Scheidungen, doch diese Maßnahmen reichen bei weitem nicht aus, um die strukturellen Benachteiligungen von Frauen auszugleichen. Frauen tragen einen Großteil der unbezahlten Sorgearbeit, die jedoch nicht angemessen im Rentensystem berücksichtigt wird, das sich ausschließlich auf bezahlte Arbeit stützt.

### Lösungsansätze für eine gerechtere Rentenversorgung

Um die Rentenlücke zwischen Männern und Frauen zu schließen, sind weitreichende Reformen erforderlich. Schmitz-Kießler plädiert für ein Erwerbssystem, das eine gleichberechtigte Beteiligung beider Geschlechter an der Erwerbsarbeit und Kindererziehung fördert. Eine mögliche Lösung wäre ein neuer Vollzeitstandard von 30 Stunden pro Woche, um allen eine angemessene Altersvorsorge zu ermöglichen.

Die Diskussion über die Finanzierbarkeit der Rentenversicherung und den demografischen Wandel wird oft von falschen Vorstellungen geprägt. Es ist wichtig, die Einnahmeseite der Rentenversicherung zu stärken, indem mehr Menschen, auch mit Migrationshintergrund, besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre könnte jedoch zu einer weiteren sozialen Polarisierung führen, insbesondere in Berufsfeldern mit körperlicher und psychischer Belastung.

Altersarmut betrifft nicht nur Frauen, sondern auch zunehmend Männer. Eine kleine Rente bedeutet nicht automatisch Armut, aber viele Rentnerinnen und Rentner leben unterhalb des Armutsniveaus. Es ist an der Zeit, das Rentensystem grundlegend zu überdenken und strukturelle Ungleichheiten zu beseitigen, um eine gerechte Rentenversorgung für alle Geschlechter zu gewährleisten.