**Machtkampf zwischen Merz und Söder: CSU-Chef kontert trocken**
Ein Besuch in der Höhle des bayerischen Löwen ist für CDU-Vorsitzende seit jeher mit Risiken verbunden. Man weiß nie so ganz genau, was einen dort erwartet. Für Friedrich Merz sollte der Ausflug zum Treffen der CSU-Bundestagsabgeordneten in Kloster Seeon allerdings drehbuchgemäß ein Heimspiel werden. Schließlich ist der Mann Kanzlerkandidat der Union und ein paar Wochen vor der Wahl ist kein idealer Zeitpunkt für Befindlichkeiten zwischen den Schwesterparteien. Aber wie das so läuft mit dem Drehbuch, irgendwas ist ja immer. Und erst mal lässt der CDU-Vorsitzende seine Gastgeber im Regen stehen.
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Dobrindt und Söder stehen im Regen — und warten
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Da warten Markus Söder und Alexander Dobrindt also im grauen Nasskalt des Mittwochmorgens mit ihren Schirmen — und werden langsam unruhig. Merz ist längst vorgefahren, bleibt aber minutenlang im warmen Auto sitzen. Zufall? Ein wichtiges Telefonat? Oder doch eher eine kleine Machtdemonstration, wer hier der Boss ist? Als der CDU-Chef dann endlich auftaucht, fragt er mit gespielter Empörung: „Was ist denn mit dem weiß-blauen Himmel?“ Bisher sei das Wetter eigentlich ganz schön gewesen, kontert Söder trocken — und schon steht es wieder unentschieden.
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Bei der Mütterrente sind sich CDU und CSU nicht einig
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Immerhin: Inhaltlich sind sich CDU und CSU tatsächlich nahe wie lange nicht. Vorbei die Zeiten, in denen man sich intern mehr zoffte als mit den politischen Konkurrenten. Wirtschaft, Migration, Sicherheit — das sind die Themen, mit denen die Union punkten will. Zwar löste die neue CSU-Forderung zur Mütterrente Irritationen aus: „Die schwerste strukturelle Wirtschaftskrise der Bundesrepublik ist keine Zeit für Sozialgeschenke“, kritisierte der CDU-Wirtschaftsrat im Gespräch mit unserer Redaktion und verwies auf die schwierige Haushaltslage. Aber das sind im Vergleich zu früheren Streitigkeiten Peanuts.
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Gewagte Doppelstrategie im Umgang mit den Grünen
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So oder so: Mit ihrer Doppelstrategie bewegt sich die Union auf oblatendünnem Eis und mindestens einmal wäre der Kanzlerkandidat schon um ein Haar eingebrochen. Als Merz vor einigen Wochen in einer Talkshow andeutete, Habeck könne unter Umständen auch unter ihm als Kanzler Minister bleiben, grätschte ihn die CSU humorlos ab, wie einst Stefan Effenberg einen Gegenspieler, der ihm zu frech geworden war. Das eigentlich Interessante daran: Merz ließ es geschehen. Er weiß seit dem Laschet-Debakel, wie wichtig Stimmung und Stimmen in Bayern sind, wenn man die Wahl gewinnen will. Die CSU wird einen Löwenanteil zum Wahlergebnis beitragen, liegt in Umfragen meilenweit vor seiner CDU. Und so weiß er auch, dass er hier in der Höhle des CSU-Löwen gute Miene machen muss, auch ohne weiß-blauen Himmel.