Reich der Finsternis: König Lear im Düsseldorfer Schauspielhaus
In einem düsteren Saal, in dem die Finsternis bereits gesiegt hat, thront ein schwarzer Turm. Von dort verkündet König Lear, gespielt von dem großartigen Burghart Klaußner, dass er das Reich gedrittelt hat und sich zurückziehen möchte, um die Macht seinen Töchtern zu überlassen. Doch seine Erwartungen werden in Shakespeares späten Tragödie radikal niedergeschmettert, inszeniert von dem kasachischen Opernregisseur Evgeny Titov im Düsseldorfer Schauspielhaus.
Die Inszenierung, die nach “Macbeth” und “Richard III.” das dritte Königsdrama auf die Bühne bringt, überrascht das Publikum der Gegenwart mit ihrer radikalen Kürzung auf Spielfilmlänge. Heerscharen von Figuren wurden gestrichen, darunter auch Graf Gloucester, die Ehemänner der Töchter und die zweite Hauptfigur. Einzig Edmund, Gloucesters unehelicher Sohn, der von Valentin Stückl mit beachtlichen Muskeln verkörpert wird, bleibt erhalten und sorgt für eine neue Dynamik auf der Bühne.
Die Essenz des Stücks: König Lear und seine Töchter
Im Zentrum des Geschehens steht natürlich König Lear, ein alter Mann, der verzweifelt an der Macht festhalten will, die er bereits abgegeben hat. Wie im bürgerlichen Leben ist auch hier die menschliche Gier nach Dankbarkeit und Hingabe allgegenwärtig. Lear stellt einen Test an seine Töchter, bei dem diejenige, die ihm am meisten Liebe entgegenbringt, das beste Stück des Landes erhalten soll. Während Goneril und Regan, gespielt von Jenny Schily und Friederike Wagner, sich in Schmeicheleien überbieten, hält sich ausgerechnet Cordelia, Lear’s bevorzugtes Kind, zurück und verliert dadurch den Anspruch auf das Erbe.
Die bittere Wahrheit wird von Kent, Lears treuem Berater, ausgesprochen, doch der starrsinnige König weist sie zurück und verstößt Cordelia. Erst als er erkennen muss, dass seine anderen Töchter ihn nur ausnutzen wollen, wird Lear aus seinem gewohnten Umfeld gerissen und landet auf einer Müllhalde, wo er seine geistige Gesundheit langsam verliert.
Das Ende naht: Tragik und Verlust
Klaußner verkörpert Lear nicht als tobenden Monarchen, sondern als ruhigen, dementen Greis, der sich in seiner Verwirrtheit verliert. Die Figur des Hofnarren, gespielt von Anne Müller, umschwirrt ihn wie ein Schatten seiner selbst, eine Personifizierung seiner zerfallenden Realität.
Am tragischen Ende erscheint Cordelia, gespielt von Jule Schuck, um dem alten König noch eine letzte Zuwendung zu schenken. Die bösen Schwestern kommen zu einem grausamen Ende, während die Bühne von Verzweiflung und Tod erfüllt ist. Das Publikum verlässt das Theater bedrückt, doch mit dem Bewusstsein, dass gutes Theater nicht immer glücklich enden muss.
Die nächsten Vorstellungen und Informationen
“König Lear” von William Shakespeare, in einer Übersetzung von Frank Günther, wurde von Evgeny Titov im Großen Haus des Düsseldorfer Schauspielhauses eindrucksvoll inszeniert. Die nächsten Vorstellungen finden am 6. und 28. Februar sowie am 9. und 20. März statt. Tickets und weitere Informationen sind auf der Website des Düsseldorfer Schauspielhauses erhältlich.