Sirenen heulten: Mein Vater in Gefahr
München, die bayerische Hauptstadt, blutet. Nach einer Attacke auf eine Demonstration klafft eine tiefe Wunde in der Stadt. Ein junger Mann, Kemal, teilt seine erschütternde Erfahrung, wie der Terror unerwartet in sein Leben einbrach.
Die Sirenen, die um 10.30 Uhr heulten, ließen Kemal sofort an seinen Vater denken. Dieser befand sich in der Nähe der geplanten Demonstrationsstrecke bei einer Verdi-Demonstration. Als Kemal aus seinem Büro in München sah, wie Polizei- und Rettungswagen vorbeirasen, ergriff ihn die Sorge. Er rief sofort seinen Vater an, der ihm berichtete, dass er vom Auto des Attentäters erwischt worden war.
Sofort eilte der 27-jährige Kemal zur Kreuzung Dachauer Straße und Seidlstraße, wo das Chaos herrschte. Überall Blaulicht, aufgelöste Menschen in neongelben Verdi-Westen, und inmitten des Geschehens sah Kemal seinen Vater sitzend, aber lebend. “Der Schock ist schlimmer als die leichten körperlichen Verletzungen”, erzählt er.
Die schrecklichen Bilder begleiteten Kemal durch München, als er seinen Vater begleitete, der 50 Meter vom Tatort in einem Rettungswagen lag. Auf der Fahrt sah Kemal schwer verletzte Menschen auf dem Asphalt liegen, einige erhielten Herzdruckmassagen. Auch ein zweijähriges Kind zählte zu den Opfern der Terrorfahrt, bei der mindestens 28 Menschen verletzt wurden.
Der cremeweiße Mini, der in die Menschenmenge fuhr, steht immer noch am Tatort. Um ihn liegen gelbe Westen, Demo-Fähnchen, Schuhe und Rettungsdecken. Ein demolierter Kinderwagen liegt direkt neben dem Auto.
Die Demo endete abrupt, als der Täter mit über 50 Kilometer pro Stunde in die Menge fuhr. Die Menschen standen so dicht, dass das Auto nach 20 Metern zum Stillstand kam.
Die Reaktion der Regierung
Nur zwei Stunden nach der Tat treffen die Limousinen von Ministerpräsident Markus Söder, Innenminister Joachim Herrmann, Justizminister Georg Eisenreich und Münchens OB Dieter Reiter am Tatort ein. Umrahmt von Presseleuten blicken sie auf das Schlachtfeld. Söder geht von einem Anschlag aus und wirkt schwer getroffen. Worte des Mitgefühls und der Betroffenheit folgen.
Die vier Männer, die normalerweise mit Wahlkampf-Routine beschäftigt sind, stehen nun vor den Mikrofonen und nehmen ihre traurige Pflicht wahr, sich gegenseitig stützend.
Ermittlungen und Hintergründe
Innenminister Herrmann informiert über den Täter, einen 24-jährigen Afghanen, dessen Asylantrag abgelehnt wurde. Der Mann lebte seit 2016 in Deutschland und war der Polizei bereits wegen Ladendiebstählen und Drogenhandels bekannt. Nach der Tat wurde bekannt, dass er in sozialen Netzwerken einen islamistischen Post veröffentlicht hatte.
Die Ermittlungen hat die bayerische Zentralstelle für Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus übernommen. München ist durch diesen mutmaßlichen Terroranschlag erneut erschüttert. Eine Sammelstelle für Zeugen wurde eingerichtet, wo Menschen ihre erschütternden Erlebnisse teilen.
Eine Frau, weinend und mit vor Angst geweiteten Augen, wird von einer anderen Frau gehalten. Die traumatischen Ereignisse, die sie gesehen hat, werden sie ein Leben lang nicht loslassen. Die Wunden, die dieser Tag in München gerissen hat, werden Zeit brauchen, um zu heilen.