Es war ein super spätes Weihnachtsgeschenk, und was für eines. Gerade einmal drei Wochen lief die zweite Spendenaktion für den Augsburger Wiesn-Toni Tamer Bugan, dann war das Ziel erreicht. Mehr als 80.000 Euro kamen für eine OP zusammen, die dem Augsburger, der nach einem schweren Sturz querschnittsgelähmt war, wieder auf die Beine helfen soll. Über 1000 Menschen hatten gespendet, um ihm die Operation in Istanbul zu ermöglichen. Dabei waren bei einer ersten Sammlung kurz nach dem Unfall im Sommer 2023 schon einmal mehr als 70.000 Euro gespendet worden.
Augsburger in Türkei operiert: Elektroden überbrücken die beschädigte Stelle im Rückenmark
Ursprünglich wollte der 51-Jährige gleich zu Beginn des neuen Jahres in die Türkei reisen, um sich dort einen Schrittmacher einsetzen zu lassen. Der überbrückt, auch mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz, die Verletzung im Rückenmark mit einer 16-poligen Elektrode, so dass Tamer Bugan seine Arme und Beine mit Hilfe der Stromimpulse wieder willentlich ansteuern kann. Aufgrund einer Wunde musste der Augsburger seine Reise nach Istanbul um einige Wochen verschieben. Zwei Wochen vor Ostern aber war es dann soweit. Am 6. April ging es für Bugan, der 16 Jahre lang im Bräurosl-Zelt auf dem Münchner Oktoberfest bedient hatte und so auch zu seinem Spitznamen kam, in die türkische Metropole. Schon am Tag darauf wurde ihm bei der OP der Schrittmacher eingesetzt und Stammzellen ins Rückenmark gespritzt – in der Hoffnung, dass sich die Zellen dort regenerieren.
Augsburger Wiesn-Toni: Die Arme und Beine gehorchen ihm jeden Tag besser
Für seinen großen Traum, wieder auf eigenen Beinen zu stehen und laufen zu können, kämpft der Wiesn-Toni seitdem jeden Tag in einer großen Rehaklinik. Bereits am Tag nach der Operation wurde er dorthin verlegt. Neun Anwendungen, von der Physiotherapie über Lymphdrainagen und Bewegungseinheiten im Lokomat, einer Art Gehroboter, absolviert er täglich außer sonntags. Auf Instagram lässt er seine „Schnuggelhasen-Community“, die knapp 9000 Menschen umfasst, regelmäßig an den schweißtreibenden und oft auch schmerzhaften Übungen teilhaben.
„Es geht von 9 Uhr morgens bis 17 Uhr mit einer kurzen Mittagspause Vollgas durch.“ Das Programm in Istanbul, sagt Bugan, sei kein Vergleich zu dem, was er bei seinen mehrmonatigen Rehaaufenthalten in Deutschland erlebt habe. „Am Abend bin ich immer fix und fertig. Aber ich bin voll ambitioniert. Die Ärzte glauben fest daran, dass es sehr gut werden wird“, sagt Bugan. Die Signalleitung in die Beine funktioniere von Tag zu Tag besser und wird kontinuierlich über eine Tabletsteuerung angepasst. Der Mann, der einst zwölf Bierkrüge auf einmal schleppen und nach dem Unfall kaum noch ein Glas halten konnte, schafft es mittlerweile sogar wieder, sich mit den Händen in die Liegestützposition hochzudrücken.
Schweres Erdbeben in Istanbul sorgt für bange Stunden
Denn nach fast zwei Jahren, in denen seine Muskeln verkümmerten, hat er in den fünf Wochen seit der Operation mächtig an Umfang zugelegt. Mittlerweile, sagt er lachend, seien seine Oberarme breiter als die seines Bruders Selcuk, der mit ihm nach Istanbul gereist und während der kräftezehrenden und emotionalen Zeit der Reha sein Fels in der Brandung ist. Auch in den Tagen, als Istanbul im April von starken Erdbeben erschüttert wurde. Gerade seien sie zum Mittagessen in ihrem Zimmer im 8. Stock gewesen, als plötzlich die Erde gebebt habe. Zuerst habe er gedacht, sein Bruder rüttle an seinem Bett, dann aber sah er das Minarett der Moschee gegenüber schwanken.
Obwohl man den Fahrstuhl eigentlich nicht hätte nutzen sollen, seien sie sofort runtergefahren und hätten die Klinik verlassen. „Ganz Istanbul war auf den Straßen. Es war verrückt. Und ich hab mir nur gedacht: Jetzt fliegst du hierher, damit du aus dem Rollstuhl rauskommst, und am Ende gehst du noch bei einem Erdbeben drauf.“ Doch die Lage habe sich Gott sei Dank wieder beruhigt und Tamer Bugan konnte sich wieder ganz auf seine Therapie konzentrieren. Noch bis Anfang Juni geht die Reha, aktuell verhandelt er bezüglich einer Verlängerung, hat daneben auch eine moderne Einrichtung in Serbien auf dem Schirm. „Ich will jetzt auf gar keinen Fall zurückfallen, sondern dranbleiben“, sagt der 51-Jährige kämpferisch.