Krach in der Sakristei: Die meisten Leute benehmen sich gut in Kirchen, behaupten die Bistümer. Aber da sind immer ein paar schwarze Schafe. Verliert die Gesellschaft den Respekt für besondere Orte?

Kirchen sind normalerweise Orte der Ruhe, Besinnung und Zuflucht. Aber in einigen Gemeinden in Rheinland-Pfalz gab es in letzter Zeit vermehrt Hinweise auf Vandalismus, Respektlosigkeit und seltsame Zwischenfälle. In Mainz zum Beispiel berichten Geistliche von einer starken Zunahme der Probleme. Es passiert immer wieder, dass Leute die Kirchen als Toilette benutzen – manchmal im Beichtstuhl, manchmal in abgelegenen Kapellen, sagt Pfarrer Thomas Winter der Deutschen Presse-Agentur.

Die Pfarrer-Landvogt-Kapelle wurde außerhalb der Gottesdienstzeiten geschlossen. Außerdem gibt es Sachbeschädigungen: Türen wurden zerstört, Altäre beschädigt, Kerzenständer umgeworfen, Altardecken durcheinander gebracht. Besonders gefährlich sind Brandgefahren durch Räucherstäbchen, die in Blumengestecke oder Opferstöcke gesteckt wurden.

Die Täter bleiben oft unbekannt – meistens passiert all das unbeobachtet, weil die Kirchen zwar tagsüber geöffnet sind, aber selten durchgehend überwacht werden. Die Gemeindeverantwortlichen stehen vor einem Dilemma, wie Winter sagt: Sie wollen die Kirchen offen halten, müssen aber gleichzeitig für Sicherheit sorgen.

Erste Maßnahmen wie Videoüberwachung und der verstärkte Einsatz von Ehrenamtlichen zeigen laut dem Pfarrer in einigen Kirchen bereits Wirkung. Aber das Grundproblem scheint tiefer zu liegen: “Der Respekt gegenüber sakralen Räumen schwindet”, meint Winter. “Viele der Störer haben keinen kirchlichen Bezug und scheinen den symbolischen oder spirituellen Wert der Gebäude nicht oder nicht mehr zu erkennen.”

Auch in Worms kennt man diese Entwicklung. Dort sorgt zwar ein Team von Dompförtnern für Aufsicht, aber auch das schützt nicht vor allen Vorfällen, wie Dompropst Tobias Schäfer berichtet. So wurde im Dom die Notdurft im Beichtstuhl verrichtet und das Weihwasserbecken zweckentfremdet. Ein gestohlenes Marienbild tauchte Monate später im Rahmen einer Beichte bei einem Nachbarpfarrer wieder auf. “Einige Jahre zurückliegend, aber nachhaltig in Erinnerung: Es ist einmal ein komplettes Blumengesteck vom Altar gestohlen und mitgenommen worden.”

Müll und Verwahrlosung sind ein Dauerthema in anderen Wormser Kirchen, die ohne Aufsicht auskommen müssen, sagt Schäfer. Der Geistliche berichtet, dass solche Entwicklungen zwar seit längerem zu beobachten seien – neu sei jedoch die Zunahme gezielter Vandalismusakte.

“Wände werden beschmiert, Schaukästen beschädigt, selbst der Plattformlift für Rollstuhlfahrer wurde wiederholt zerstört”, schildert der Dompropst. Auch Metalldiebstähle häufen sich demnach. Als besonders belastend empfinden viele das Verhalten psychisch auffälliger Menschen, die Gottesdienste stören, Stühle werfen oder gegen Türen treten.

Hinzu komme ein grundlegend verändertes Verhalten: “Eis essend, laut telefonierend oder mit Hunden im Kirchenraum – das ist längst keine Seltenheit mehr”, erzählt Schäfer. “Im Blick auf die Frage angemessener Kleidung habe ich längst resigniert.” Spreche das Personal die Menschen darauf an, werde es nicht selten beschimpft oder aggressiv angegangen.

Ein eher anderes Bild zeigt sich dem Domkapitel zufolge in Speyer. Dort sei Vandalismus seltener ein Thema – unter anderem, weil stets viele Menschen gleichzeitig im Dom seien, heißt es. So entstehe ein Gefühl sozialer Kontrolle. “Dennoch kam es zu vereinzelten Vorfällen”, sagt Domdekan und Domkustos Dr. Christoph Maria Kohl, “ein Graffiti mit Edding, gestohlene Kerzen, eine auf eBay angebotene Reliquie, die sich als Scherz entpuppte.”

Schwerwiegender sei ein nächtlicher Zwischenfall im Dezember 2024 gewesen, als vier Menschen unbefugt auf das Baugerüst an den Osttürmen geklettert seien, auf dem Kupferdach unterschrieben und Farbe verteilt hätten. “Die Polizei griff dank wachsamer Passanten ein, Anzeige wurde erstattet. Zwei der Täter waren noch minderjährig.” Nach dem Vorfall seien Sicherheitsvorkehrungen verstärkt und zusätzliche Kameras installiert worden.

“Auch ein Vorfall im März 2023, bei dem sämtliche Außenschlösser mit Kleber unbrauchbar gemacht wurden, stellte die Verantwortlichen vor Herausforderungen”, schildert Kohl. “Zumal auch andere öffentliche Gebäude in derselben Nacht betroffen waren.”

Hilft soziale Kontrolle?

In Trier sei der Dom von Vandalismus in den vergangenen Jahren verschont geblieben, sagt Dompropst Weihbischof Jörg Michael Peters. “Dafür sind wir dankbar. So viele Menschen wissen es zu schätzen, dass sie mitten in Trier diesen Ort des Gebets und der Ruhe finden, wo sie Gottesdienst erleben und mitfeiern können, sich an der Musik erfreuen oder einfach eine Kerze anzünden können.” Bürgerinnen und Bürger sowie die vielen Gäste begegnen dem altehrwürdigen Dom mit viel Respekt.

“Der Zustand kirchlicher Räume ist längst nicht nur eine Frage von baulicher Sicherheit, sondern auch von gesellschaftlichem Wandel”, sagt Pfarrer Thomas Winter in Mainz. “Wo das Bewusstsein für den Wert dieser besonderen Orte verloren geht, steigt das Risiko für Missbrauch.” Zugleich werde klar: “Wer Kirchen offen halten will, braucht nicht nur Technik, sondern vor allem Menschen – die mithelfen, hinschauen, ansprechen und schützen.”