Wachstum und soziale Spannungen: Die Perspektive eines Wirtschaftshistorikers

Nicht nur Putin und Trump bedrohen Deutschland, sondern auch die wachsende Ungleichheit, sagt Adam Tooze. Der CDU wirft er Finanzpopulismus vor. In einem Interview mit der Tageszeitung “taz” äußert sich der britische Wirtschaftshistoriker und Columbia University-Professor zu den jüngsten politischen Entwicklungen in Deutschland, insbesondere im Zusammenhang mit der Schuldenbremse und der geplanten Ausnahme für Rüstungsausgaben.

Die Schuldenbremse und ihre politischen Dimensionen

Adam Tooze reflektiert zunächst seine zwiespältigen Gefühle bezüglich der CDU-SPD-Regelung, die eine Ausnahme der Schuldenbremse für Rüstungsausgaben vorsieht. Obwohl er die Größenordnung als angemessen empfindet, ist er entsetzt über die politischen Motive hinter der Entscheidung. Er kritisiert, dass die Grundlage einer neuen Regierung geschaffen werden soll, indem das Ergebnis der Bundestagswahl vom 23. Februar umgangen wird. Tooze betont, dass die Schuldenbremse bereits seit Jahren reformbedürftig war und dass die aktuelle Vorgehensweise der CDU und SPD zynisch sei.

Die Demokratie und die Rolle der Schuldenbremse

Der Wirtschaftshistoriker kritisiert die Selbstbeschränkung der deutschen Demokratie durch die Schuldenbremse und bezeichnet die Lockerung als Umgehung demokratischer Prinzipien. Er sieht die Reform der Schuldenbremse als drängendes Thema und betrachtet die aktuelle politische Vorgehensweise als enttäuschend und zynisch. Tooze warnt davor, dass die Wählerschaft von CDU und SPD durch solche Maßnahmen enttäuscht und getäuscht werden könnte.

Die Auswirkungen von Wachstum auf soziale Spannungen

Während einige Ökonomen optimistisch sind über die möglichen Auswirkungen der geplanten Investitionen in die deutsche Infrastruktur auf das Wirtschaftswachstum, warnt Tooze vor möglichen sozialen Spannungen. Er betont, dass Wachstum Veränderungen mit sich bringt, die entlang der Linien der Machtungleichheit verlaufen. Die Gefahr von verstärkten sozialen Spannungen durch Wachstum sei ein ernstes Problem, dem man begegnen müsse.

Zusammenfassend plädiert Adam Tooze für eine progressive Wirtschaftspolitik, die vernünftige Angebote macht und die Demokratie stärkt. Trotz der Herausforderungen und politischen Spannungen in Deutschland engagiert sich Tooze für eine offene Diskussion und Analyse der politischen Ökonomie. Er betont die Relevanz Deutschlands im europäischen Kontext und ruft dazu auf, die Demokratie mit demokratischen Mitteln zu verteidigen. Letztendlich ist es für Tooze wichtig, dass Politik auf Vernunft basiert und eine bessere Welt schaffen kann.