Die AfD lauert, während Merz’ Schulden-Schwenk die Grünen mächtig macht
CDU-Chef Friedrich Merz geht mit der Schuldenbremsen-Reform ins politische Risiko. Die AfD fühlt sich in ihrem Narrativ gestärkt, die Grünen bekommen plötzlich Erpressungsmacht. Und selbst die FDP darf sich klammheimlich freuen. Die Milliarden-Pakete von Olaf Scholz hatten klangvolle Namen. Von einer „Bazooka“, dem „Wumms“ und „Doppelwumms“ und einer „Zeitenwende“ sprach der SPD-Kanzler. Dem, was sein wahrscheinlicher Nachfolger Friedrich Merz am Dienstagabend präsentiert hat, fehlt bislang ein schlagkräftiger Name. Vielleicht braucht es den aber auch gar nicht. Die gigantischen Zahlen sprechen für sich.
Das politische Risiko von Friedrich Merz
Der CDU-Chef hat sich in den Sondierungsgesprächen mit der SPD darauf geeinigt, dass ein Großteil der Verteidigungsausgaben künftig durch Schulden bezahlt werden darf. Schon das allein könnte jährlich viele Milliarden Euro ausmachen. Hinzu kommt ein Infrastruktur-Sondervermögen – was ebenfalls aus Schulden besteht – in Höhe von 500 Milliarden Euro. „Wahtever it takes“, sagte Merz dazu bei der Pressekonferenz am Dienstag – koste es, was es wolle. Der CDU-Chef wird seine Pläne aber nicht nur mit Schulden bezahlen müssen. Er muss auch mit politischen Risiken rechnen. Und davon gibt es gleich mehrere.
Merz vollzieht bemerkenswerten Schwenk
Das erste hängt damit zusammen, dass Merz einen bemerkenswerten Schwenk vollzogen hat. In Opposition zur Ampel-Regierung stemmte er sich stets gegen neue Schulden. Auch im CDU-Wahlkampf wurde deutlich, dass eine Reform der Schuldenbremse nicht gewollt ist, schon gar nicht als erster Schritt einer neuen Koalition. Dass Merz mit dieser Linie bricht, begründet er mit der dramatischen Weltlage. Weil US-Präsident Donald Trump den ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj aus dem Weißen Haus warf und stattdessen mit Russland anbandelt, hat die sich tatsächlich noch einmal geändert.
Die AfD sieht sich in ihrem Narrativ bestätigt
Merz‘ politische Gegner weisen darauf genüsslich hin. Vor allem die AfD sieht sich jetzt in ihrer Erzählung bestätigt. „Merz hat die Wähler mit jedem Wort im Wahlkampf belogen“, schreibt Parteichefin Alice Weidel bei X. „Die AfD würde den Rotstift ansetzen – und Ausgaben nur noch im Interesse unseres Landes und unserer Bürger tätigen.“ Der Merz-Schwenk passt für sie ins Bild der angeblich chronisch wortbrüchigen „Altparteien“.
Grüne bekommen Erpressungspotenzial
Für Merz könnte das mittelfristig zum Problem werden. Viel akuter ist aber ein anderes: Auch im alten Bundestag hat Schwarz-Rot allein keine Zwei-Drittel-Mehrheit. Der CDU-Chef ist auf die Grünen angewiesen. Ihnen verschafft er damit ein enormes Erpressungspotenzial. Grundsätzlich sind die Grünen sowohl mit Investitionen in Deutschlands Verteidigungsfähigkeit als auch in die Infrastruktur einverstanden. Zum einen würden sie aber lieber auch die Infrastruktur-Ausgaben über die Schuldenbremse regeln. Das hält die Partei für langfristig sinnvoller als ein Sondervermögen.
Die FDP bekommt ein Thema für die außerparlamentarische Opposition
Die aus dem Bundestag gewählte Partei bekommt damit unverhofft ein Thema geliefert, das sie durch die außerparlamentarische Opposition tragen könnte. Ohne parlamentarische Vertretung ist es eigentlich schwer, mit den eigenen Botschaften durchzudringen. Doch angesichts der bevorstehenden Milliarden-Schulden dürfte die FDP als Gegenstimme zu Union, SPD und Grünen weiterhin gefragt sein. Für Spekulationen über die nächste Bundestagswahl ist es zwar noch zu früh, aber in der FDP dürfte es zumindest die leise Hoffnung geben, 2029 wieder Wähler von der Union zurückzugewinnen. CDU-Chef Merz dürfte das aktuell kaum kümmern, er sollte diese potenzielle Folge seines Schwenks aber im Blick behalten.
Überzeugung und taktische Fehler
Die Union läuft mit ihrem Schuldenbremsen-Plan also in ein dreifaches Risiko. Warum zieht Merz das trotzdem durch? Ein großer Teil der Erklärung dürfte tatsächlich das sein, was er selbst anführt: die tiefe Überzeugung, dass jetzt große Investitionen nötig sind, um Deutschland zu schützen. Dass Merz trotz Gefahren dazu steht, könnte man ihm zugutehalten. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich die genannten Risiken hätten umgehen lassen. Womöglich könnte es sich als taktischer Fehler herausstellen, dass die CDU nicht noch im vergangenen Jahr gemeinsam mit SPD und Grünen eine Schuldenbremsen-Reform angegangen ist.