Wirtschaftsweise Veronika Grimm warnt: Neue Schulden sind keine Lösung

Die deutsche Wirtschaft steckt in einer schweren strukturellen Krise, warnt die renommierte Ökonomin Veronika Grimm im aktuellen RND-Interview. Seit 2020 ist sie Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) und analysiert kritisch die Entwicklungslage. In dem Gespräch spricht sie über notwendige Reformen nach der Bundestagswahl, die Schuldenbremse und die Herausforderungen in der globalen Wirtschaft.

Die Lage der deutschen Wirtschaft ist alarmierend. Trotz der kürzlich stattgefundenen Bundestagswahl und der Hoffnung auf einen Aufschwung, stehen die Zeichen auf Sturm. Die Wirtschaftsleistung stagniert seit Jahren auf einem besorgniserregenden Niveau, Exporte schwächeln, Produktion und Investitionen sinken, und die Industrie kämpft mit einer historisch niedrigen Kapazitätsauslastung. Die hohen Energiekosten und das schwache Produktivitätswachstum bereiten zusätzliche Sorgen. Grimm betont die Notwendigkeit konsequenter Maßnahmen und eines Verständnisses in der Bevölkerung für bevorstehende Veränderungen.

### Maßnahmen für wachstumsstarke Unternehmen

Um die Wirtschaft zu stärken, plädiert Grimm für eine Attraktivitätssteigerung für wachstumsstarke Unternehmen. Traditionelle Branchen wie die Automobilindustrie und der Maschinenbau stehen vor großen Herausforderungen durch aufstrebende asiatische Länder, insbesondere China. Die Expertin betont die Notwendigkeit eines Strukturwandels und einer Neuausrichtung auf zukunftsweisende Branchen. Innovationen, insbesondere im Bereich Künstliche Intelligenz, Gentechnik, Raumfahrt und Atomforschung, sollen gefördert und nicht überreguliert werden, um den Fortschritt nicht zu behindern.

### Verantwortungsvolle Finanzpolitik und Energiepolitik

Grimm warnt vor der Aufnahme neuer Schulden als Lösung für wirtschaftliche Probleme. Stattdessen plädiert sie für eine Senkung der Unternehmenssteuern, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Auch die Lohn- und Energiekosten müssten gesenkt werden, und eine Neuausrichtung der Energiepolitik sei dringend erforderlich. Durch Anpassungen im Gesundheitssystem und in den sozialen Sicherungssystemen könnten ebenfalls erhebliche Einsparungen erzielt werden.

In Bezug auf die Schuldenbremse betont Grimm, dass zusätzliche Mittel vorübergehend notwendig sein könnten, insbesondere für die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit angesichts geopolitischer Spannungen. Die Notfallklausel der Schuldenbremse könne hierbei eine Lösung bieten, um schnell und umfangreich zusätzliche Mittel zu mobilisieren. Ein Sondervermögen im alten Bundestag sei hingegen kritisch zu betrachten und könnte das Vertrauen in die neue Regierung schwächen.

### Herausforderungen in der globalen Wirtschaft

Angesichts der Verschuldungssituation vieler EU-Staaten und der drohenden Gefahr bei zunehmender Aufrüstung an die Grenzen der Schuldentragfähigkeit zu gelangen, warnt Grimm vor den möglichen Folgen. Eine weitere Krise sei absehbar, und die Europäische Zentralbank könnte gezwungen sein, Staaten durch den Ankauf von Staatsanleihen zu stützen, was letztendlich die unteren Einkommensgruppen belasten würde.

In einer geopolitisch angespannten Zeit müsse Europa handlungsfähig bleiben und sich nicht mit internen Problemen belasten. Grimm warnt vor möglichen Krisenherden, die von außen genutzt werden könnten, um Europa zu destabilisieren. Eine konsequente und verantwortungsvolle Politik sei daher von größter Bedeutung, um die Wirtschaft zu stärken und Krisen präventiv zu begegnen.